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Neuere Artikel                                                   16.11.2005                                                   Ältere Artikel


"Anhalteordnung neu" trägt dem menschenrechtlichen Diskurs Rechnung

Pressetext 16-11-2005


Innenministerium ist gefordert, den Polizeianhaltezentren die nötigen personellen und finanziellen Mittel bereitzustellen

Wien – Mit 1. Jänner 2006 soll eine neue "Anhalteordnung" in Kraft treten. Sie regelt die Anhaltung von jährlich mehr als 25.000 Menschen in Schubhaft, Verwahrungs- und Verwaltungsstrafhaft durch die Sicherheitsexekutive. Der Entwurf zu dieser Anhalteordnung wurde vom Innenministerium diese Woche in Begutachtung gegeben. Im Rahmen einer Pressekonferenz im Cafe Landtmann nahm heute Geschäftsführer Günter Ecker für den "Verein Menschenrechte Österreich", der größten NGO in der Schubhaftbetreuung, Stellung zu diesem Entwurf.

Ecker: "Der Begutachtungsentwurf lässt deutlich erkennen, dass das Innenministerium mit der "Anhalteordnung neu" dem menschenrechtlichen Diskurs der letzten Jahre Rechnung tragen will." Als besonderen Erfolg wertet der Verein Menschenrechte Österreich, dass es gelungen ist, die Schubhaftbetreuung und die Offenen Stationen zu verankern.

Verbesserungen sind weiters u.a. darin zu sehen, dass

  • angehaltene Frauen von weiblichen Beamtinnen beaufsichtigt werden sollen;
  • Hafträume menschenwürdig sein müssen; * eine Antrittsdusche und wöchentlich ein zweites Mal Duschen vorgesehen wird; *
  • dem Amtsarzt erforderlichenfalls Dolmetscher und psychiatrische Expertise zur Verfügung gestellt werden;
  • der Nichtraucherschutz verstärkt wird;
  • für Schubhäftlinge das Führen von Telefongesprächen erleichtert wird;
  • für Schubhäftlinge die Besuchsmöglichkeiten für Familienmitglieder erweitert wird;
  • bei Misshandlungsvorwürfen unverzüglich ein ärztliches Gutachten einzuholen ist;
  • mit der Entlassung automatisch eine Haftbestätigung ausgestellt wird und auf Wunsch Kopien von ärztlichen Befunden dem Betroffenen ausgehändigt werden.

Suizidprävention und Beschäftigung noch unzureichend geregelt

Unzufrieden zeigt sich Geschäftsführer Günter Ecker hingegen noch mit der Suizidprävention und der Beschäftigung.

Verwahrungshäftlinge, die aufgrund eines richterlichen Haftbefehls oder bei Tatbegehung festgenommen werden, haben von allen Häftlingsgruppen das höchste Suizidrisiko.

Dennoch sollen sie in den maximal 48 Stunden, in denen sie in Polizeigewahrsam angehalten werden dürfen, weiterhin in Einzelhaft genommen werden. Der "Verein Menschenrechte Österreich" fordert angesichts der Selbstmorde in Polizeianhaltezentren gerade für die kritischen ersten 48 Stunden suizidpräventive Regelungen. Einzelhaft sollte in dieser Zeit nach Möglichkeit vermieden werden.

Zweifellos enthält der Begutachtungsentwurf zur sinnvollen Betätigung angehaltener Personen einen Fortschritt, da festgeschrieben wird: "Grundsätzlich ist Beschäftigung als positives Element der Anhaltung anzusehen und von der Behörde durch entsprechende Anregungen und Angebote zu fördern." Ein bloßes Fördern von Beschäftigung wird jedoch vom "Verein Menschenrechte Österreich" nicht als ausreichend erachtet. Daher fordert er das Innenministerium auf, die Polizeianhaltezentren so auszustatten, dass eine sinnvolle Betätigung der angehaltenen Personen gewährleistet und sichergestellt werden kann, insbesondere für Schubhäftlinge, die ab 1. Jänner 2006 bis zu 10 Monate angehalten werden können.

Personelle und finanzielle Mittel für die praktische Umsetzung gefordert

Der vorliegende Begutachtungsentwurf ist ein "Projekt Ermutigung" für die 16 Polizeianhaltezentren in Österreich, die Haftstandards soweit es die Gegebenheiten vor Ort erlauben zu erhöhen. Ecker: "Das Innenministerium ist aufgefordert, den Polizeianhaltezentren für die praktische Umsetzung die nötigen personellen und finanziellen Mittel bereitzustellen."
 
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